Wittenborn im Dezember 2016
Weihnachtslieder gehören seit je her zum Fest wie der Braten oder die Bescherung. Seit Elektronik die Unterhaltung in den Familien übernommen hat, wird weniger gesungen. Meist müssen nur noch die Kinder ein Gedicht aufsagen oder ein Lied singen, um an die begehrten Geschenke zu kommen. Die Erwachsenen argumentieren schnell mit dem Hinweis nicht singen zu können oder den Text vergessen zu haben. Das gemeinsames Singen eine Gemeinschaft stiften kann, wurde in Wittenborn Anfang Oktober deutlich.
Weil die Familie Ortmann nicht länger darauf warten wollten, dass in ihrem Dorf etwas passiert, luden Sie kurzerhand alle Nachbarn zu einem Feuer auf das eigene Grundstück ein. Dass so viele kommen würden, hatten sie nicht erwartet. Fast alle Einwohner waren gekommen. Der Kontakt zwischen den alt eingesessenen und den neu hinzugezogenen war schnell hergestellt. Die Szenerie erinnert eher an eine Großstadt. Die meisten Bewohner kannten sich untereinander nicht. In Wittenborn läuft man sich nicht über den Weg. Zischen Feuer und Bier stellte sich heraus, dass die meisten Dorfbewohner auch ihre Kirche noch nie von innen gesehen hatten. Eine spontane Besichtigung brachte erfreuliches und erschreckendes Zutage.
Die Kirche in Wittenborn ist zwar kein kulturhistorisches Kleinod, aber ein nettes, kleines, liebenswertes Kirchlein. Seit dem Beginn des 15. Jahrhunderts steht der Feldsteinbau. 600 Jahre lang war sie der kulturelle Mittelpunkt des Dorfes. Zwanzig Generationen begrüßten hier ihre neuen Mitglieder und verabschiedeten sich von ihren Toten. An diesem Abend im Oktober stellte sich für viele Bewohner die Frage, ob ausgerechnet unsere Generation unverantwortlich genug sein sollte, den gewachsenen Mittelpunkt des Dorfes verfallen zu lassen? Spontan wurde in der Kirche gemeinsam gesungen und noch an diesem Abend einigten sich die Nachbarn darauf, zumindest dem weiteren Verfall entschlossen zu begegnen. Die zuständige Kirchengemeinde in Friedland wurde informiert. Dort wurden erfreulicherweise sofort alle notwendigen Schritte für die bauliche Sicherung unternommen.
Vier Wochen nach dem Lagerfeuer traf sich die neue Dorfgemeinschaft zum Arbeitseinsatz auf dem Kirchhof. Jahrzehnte alter Bauschutt wurde beseitigt und die Kirche von unten bis oben gereinigt. Der Wildwuchs der Bäume auf dem ehemaligen Friedhof der Gemeinde wurde gestutzt, damit wieder Licht und Luft an die alten Mauern kommt. Wer nicht mitarbeiten konnte, schickte eine warme Suppe vorbei und mit der gemeinsamen Arbeit entstand vielleicht der Anfang eines neuen Gemeinschaftsgefühls. Weitere Aktivitäten wurden vereinbart. Zunächst will man gemeinsam Weihnachtslieder singen. Ziel ist nicht das schöne oder gar kunstvolle Singen. Nein, es geht einfach nur um das gemeinsame Singen. Auch nicht Wittenborner sind herzlich willkommen. Beginn ist an Heilig Abend um 16 Uhr.
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